Me, Myself and Otl Aicher


Dieses wunderbare Fotodokument hat meine Mutter neulich beim Aufräumen ausgegraben. Da wird doch so einiges klar. Der Typ am Rednerpult ist unverkennbar Otl Aicher und der Kurze am Bildrand bin wohl ich (meine Oma aus dem Enztal sagte zu solchen Typen immer „Häschbele“).

Aber eins ist klar, Otl hat auf mich keinen bleibenden Eindruck hinterlassen, hatte ich zu dieser Zeit doch absolut kein Interesse an Gestaltung. Wahrscheinlich denke ich in diesem Moment „Wann hört der Opa zum Labern auf, und es gibt endlich was zum Essen“. Heute ist das natürlich anders, aber zu Aicher habe ich trotzdem nie eine positive Einstellung gefunden.

Während des Studiums musste ich mich zwangsläufig mit Ihm und seinen Ideen auseinandersetzen und hab mir deshalb sein Werk „Die Welt als Entwurf“ reingezogen (Verlag Ernst & Sohn, 1991, ISBN 3-433-02185-6). Erstens ist das Werk komplett in Kleinschreibung verfasst, was absolut gar nichts mit visueller Kommunikation zu tun hat. Hallo Otl, jemand zuhause? Wenn man Funktionalität predigt, dann erwarte ich auch funktionale Typografie (Lesbarkeit und Leserlichkeit). Seine Schrift Rotis ist ebenfalls für längere Fließtexte so geeignet wie eine Kuh fürs Rückenschwimmen. Zweitens war der Inhalt für mich doch sehr befremdlich. Hier referiert einer von einer extrem abgehobenen Warte über Dinge die er selbst nicht so ernst zu nehmen scheint. Zudem befremdet auch die enorme Eitelkeit die aus den Texten spricht. Endgültig Feierabend war dann nach dem Kapitel „meinen arbeitsplatz gibt es noch nicht“, Gott sei Dank füge ich da in Gedanken hinzu. Ja verdammte Scheiße, was für ein „ich-bin-der-beste-denken“ liegt den diesem Aufsatz zu Grunde. Ich las das vor dreißig Jahren zum ersten Mal, und hab es mir für diesen Artikel jetzt nochmal reingezogen. Fazit: Hätte ich ihn je persönlich getroffen, ich hätte Ihn wahrscheinlich für ein granaten Seggl gehalten.

Der Schädel ist außerdem aus einem meiner Skizzenbücher, die ich immer zu Elternabenden oder zu gaaaanz wichtigen Meetings mitnehme. Immer wenn es dann mal wieder so richtig langweilig wird, kommt sowas dabei raus. Ich glaub ich mach mal eine Serie draus …